Kognitive Produktion

KI-Revolution für KMUs: Wie ein KI-Tool externe Warnsignale erkennen kann

In einer Welt, in der sich wirtschaftliche Rahmenbedingungen nahezu über Nacht ändern können, stehen KMUs im Produktionssektor vor komplexen Herausforderungen. Rasante Marktveränderungen, neue Regulierungen und unvorhersehbare Lieferkettenprobleme verlangen nach Flexibilität und schneller Anpassungsfähigkeit. Hier setzen wir als Fraunhofer IWU mit einem innovativen Ansatz an: Im Rahmen des RaRe-square Projektes entwickeln wir ein KI-basiertes Früherkennungstool, das mithilfe von GPTs eine Vielzahl von Datenquellen analysiert – von öffentlichen Nachrichten bis hin zu internen Unternehmensdaten. Das Tool soll frühzeitig Rekonfigurationsbedarfe erkennen und agile Entscheidungsfindung ermöglichen– und das alles unter Wahrung von Datenschutzstandards.

Welche Herausforderungen gibt es aktuell für KMUs?

Die Produktionslandschaft befindet sich in einem ständigen Wandel, geprägt durch eine zunehmende Komplexität und den Bedarf an Flexibilität. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) sind hier besonders gefordert, ihre Produktions- und Wertschöpfungsketten kontinuierlich zu rekonfigurieren. Drei zentrale Herausforderungen treiben diesen Bedarf voran:

  1. Die Anfälligkeit globaler Lieferketten wurde durch jüngste Krisen wie Pandemien und Konflikte deutlich. KMUs sehen sich dadurch mit gravierenden Folgen konfrontiert, die von Produktionsverzögerungen bis hin zu kompletten Betriebsstillständen reichen können.
  2. Die Bürokratie nimmt zu und KMUs müssen sich mit einer wachsenden Zahl an Vorschriften auseinandersetzen. Das Navigieren durch Exportembargos und die Vorbereitung auf neue EU-Verordnungen wie Ökodesign-Richtlinie und das Lieferkettengesetz erhöhen die Komplexität des Geschäftsbetriebs.
  3. Die Vorhersage von Schwankungen in der Nachfrage ist komplex und bleibt auch auf makroökonomischer Ebene eine Herausforderung. KMUs bedienen oft eine Nische, was Vorhersagen schwieriger macht. Daher fehlen häufig die Ressourcen für eine ausgefeilte Datenerhebung und -analyse, um Schwankungen vorherzusagen und die Produktion entsprechend anzupassen.

Ein Werkzeug, das KMUs unterstützt, diese drei Herausforderungen zu meistern, würde nicht nur ihre Widerstandsfähigkeit erhöhen, sondern auch ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken. Daher kann es einen wertvollen Beitrag leisten, indem es die Unternehmen in die Lage versetzt, proaktive Maßnahmen zu ergreifen. So können Unternehmen auf Veränderungen schnell und fundiert reagieren.

Datenquellen und ihre Bedeutung

Die Effektivität eines Früherkennungssystems für KMUs hängt maßgeblich von den zugrunde liegenden Datenquellen ab. Für die Überwachung und Vorhersage von Veränderungen in der Lieferkette, den regulatorischen Rahmenbedingungen und der Nachfrage sind zahlreiche unterschiedliche und nicht homogene Datenquellen von Bedeutung. Dazu gehören:

  • Nachrichten und Wirtschaftsberichte auf öffentlichen Webseiten
  • Fachspezifische Berichte aus Branchenjournalen
  • Marktanalysen und Warenpreisindizes aus zugänglichen Datenbanken
  • Gesetzliche und regulatorische Aktualisierungen, so wie Veränderungen in Normen
  • Interne Informationen, die Einblick in die Lieferkette geben, wie Verkaufsdaten, Kunden- und Lieferanteninformationen sowie Vertragsvereinbarungen

Die Nutzung privater Daten wirft jedoch berechtigte Datenschutzbedenken auf, insbesondere beim Umgang mit sensiblen Kundeninformationen oder firmeneigenen Daten. Außerdem verfügen verfügen KMUs oft nur über begrenzte Datenmengen. Das stellt für herkömmliche maschinelle Lernalgorithmen, die in der Regel große Datenmengen für eine effektive Leistung erfordern, eine Herausforderung dar. Ein effizientes Früherkennungstool muss daher in der Lage sein, auch mit diesen begrenzten Datenbeständen wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen.

Das KI-Früherkennungstool im Detail – Context Window

Am Fraunhofer IWU entwickeln wir im Rahmen des Ra-Re-square-Projektes ein Früherkennungstool, welches die eben beschriebenen Herausforderungen angeht und dabei Anforderungen an die Datensicherheit beachtet. Das Früherkennungstool basiert auf den Fortschritten im Natural Language Processing (NLP), insbesondere der Verwendung von Generative Pretrained Transformers (GPTs). Diese ermöglichen es, komplexe kognitive Aufgaben zu bewältigen, für die sie nicht explizit trainiert wurden. Dabei spielt das sogenannte Context Window eine entscheidende Rolle. Über dieses Wird im allgemeinen eine Aufgabenstellung an den GPT übergeben. Außerdem kann es auch einen Textausschnitt mit relevanten Informationen enthalten. Das Modell verwendet diesen Textausschnitt, um auf der Grundlage der enthaltenden Informationen präzise Antworten zu generieren. Das Context Window ist ein wesentlicher Bestandteil des Trainings und der Verwendung von GPT-Modellen.

Durch die Zusammenführung von öffentlichen und privaten Informationen im Context Window können die genannten Herausforderungen in KMUs bewältigt werden. Zum Beispiel kann das Tool bei Veröffentlichung einer neuen DIN-Norm kontrollieren, ob die aktuelle Produktdokumentation der neuen Norm noch entspricht. Hierzu werden die relevanten Normen und Dokumentationen im Context Window bereitgestellt. Das GPT-Modell kann die Informationen analysieren und mögliche Abweichungen erkennen. Darüber hinaus können öffentliche Nachrichten mit Informationen über die Zulieferer des KMUs im Context Window fusioniert werden. So kann die die Stabilität der Lieferketten eingeschätzt werden. Dies ermöglicht dem KMU, potenzielle Risiken oder Engpässe frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Um auf Nachfrageschwankungen zu reagieren, können Informationen über die Kunden des KMUs mit öffentlichen Nachrichten kombiniert werden. Das ermöglicht das Ermitteln eines Indikators für die aktuelle Nachfrage. Zusätzlich ist es möglich, dem GPT-Modell Informationen über die eigene Produktionslinie zur Verfügung zu stellen. Dadurch kann das Modell versuchen, Vorschläge für neue Produkte mit einer potenziell höheren Nachfrage zu generieren. Somit kann das KMU bei der Anpassung seines Produktangebots unterstützt werden.

Die Zusammenführung von verschiedenen internen und externen Informationen ermöglicht es dem Früherkennungstool eine umfassende Analyse der aktuellen Situation zu geben. So soll das Tool eine datengesteuerte Grundlage für proaktives Handeln schaffen. KMUs wird es ermöglicht, ihre Geschäftsabläufe gegebenenfalls anzupassen und effizienter zu gestalten.

Datenschutz im Fokus

Die Integration des Früherkennungstools in die Betriebsabläufe von KMUs zwingt zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Datensicherheit. Angesichts der sensiblen Natur vieler Geschäftsinformationen ist es unerlässlich, bei der Verwendung von GPT-Modellen strengste Datenschutzmaßnahmen zu ergreifen. In diesem Zusammenhang gewinnen Open-Source-GPT-Modelle wie LLaMA von Facebook an Bedeutung. Sie bieten eine vergleichbare Leistung zu proprietären Modellen, ohne dabei Kompromisse beim Datenschutz einzugehen. Die Ausführung dieser Modelle auf der lokalen IT-Infrastruktur eines Unternehmens verstärkt den Schutz vertraulicher Daten, indem sie innerhalb der sicheren Unternehmensumgebung verarbeitet werden. Dies ermöglicht KMUs, die fortschrittlichen Funktionen von GPT-Modellen zu nutzen, während gleichzeitig die Vertraulichkeit und Kontrolle der eigenen Daten gewährleistet bleibt.

Zusammenfassung

Unser Ziel beim Fraunhofer IWU ist es, ein Früherkennungstool zu entwickeln, das KMU die Möglichkeit bietet, schenll und wirksam auf sich wandelnde Marktbedingungen und regulatorische Auflagen zu reagieren. Durch den Einsatz von lokalen GPTs und der Kombination von öffentlichen und internen Datenquellen soll das Tool frühzeitig Anpassungsbedarfe erkennen und somit proaktive Entscheidungen unterstützen.

Für Rückfragen zu diesem Thema steht Ihnen Herr Adrian Jacob gerne via Mail: adrian.jacob@iwu.fraunhofer.de zur Verfügung. Mehr Informationen finden sie auf der Seite des RaRe-square Projektes.


Headerbild: © Fraunhofer IWU

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Adrian Jacob

M.Sc. Adrian Jacob
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Abteilung Digitaler Produktionszwilling

Fraunhofer IWU
Pforzheimer Straße 7a
01189 Dresden

E-Mail: adrian.jacob@iwu.fraunhofer.de

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