Industrieroboter sind aus der modernen Fertigung nicht mehr wegzudenken. Doch gerade in der inkrementellen Umformtechnik stoßen sie an ihre Grenzen: hohe Umformkräfte führen zu unerwünschten Abweichungen, was ihre Einsatzmöglichkeiten für präzise Anwendungen einschränkt. Das Bremer Institut für Messtechnik, Automatisierung und Qualitätswissenschaft (BIMAQ) und Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) haben mit dem IGF-Forschungsprojekt μRoboForm eine innovative Lösung entwickelt, um Standard-Roboter zu echten Präzisionswerkzeugen zu machen.
Die Herausforderung: Präzision vs. Flexibilität
Während CNC-Portalmaschinen mit höchster Genauigkeit arbeiten, bieten Industrieroboter mehr Flexibilität – allerdings auf Kosten der Präzision und Steifigkeit. Gerade bei Prozessen mit hohen Kräften oder Auskraglängen kann es zu Werkzeugablenkungen von mehreren Millimetern kommen. Das schränkt die Einsatzmöglichkeiten von Robotern erheblich ein, insbesondere für KMU, die auf kostengünstige und flexible Fertigungstechnologien angewiesen sind.
Besonders relevant ist diese Entwicklung für die inkrementelle Blechumformung (IBU). Dieses Verfahren ermöglicht die Fertigung komplexer Blechbauteile ohne teure Formwerkzeuge. Dabei wird ein formgebendes Werkzeug schrittweise über das Blech bewegt, wodurch sich die gewünschte Geometrie nach und nach einstellt. Die IBU eignet sich besonders für Prototypen, Kleinserien und individualisierte Bauteile, stellt jedoch hohe Anforderungen an die Positioniergenauigkeit des Roboters. Genau hier setzt μRoboForm an:
Die Lösung: Direkte, absolute Erfassung der Position durch optisches Multi-Sensor-System nach dem Sonnenuhrprinzip
Im Projekt μRoboForm wurde ein hochpräzises Multi-Sensor-System entwickelt, das die Position und Orientierung des Tool Center Points (TCP) in Echtzeit erfasst – mit einer Messunsicherheit von weniger als 50 Mikrometern! Das Besondere:
- Hochpräzise, absolute Positions- und Orientierungsmessung des TCP im Arbeitsraum durch Verfolgung von TCP-nahen LED-Markern mittels Schattensensoren.
- Mehrere Sensoren sorgen für eine robuste, verdeckungsresistente Messung.
- Online-Datenübertragung an die Steuerung ermöglicht aktive Korrekturen während des Umformprozesses.
Test mit Horst600 von FruitCore robotics
Für die Messkampagnen wird der Industrieroboter Horst600 von FruitCore Robotics eingesetzt. Dieser kompakte, kosteneffiziente Roboter überzeugt mit einer Wiederholgenauigkeit von ±0,05 mm und einer Traglast von bis zu 3 kg – perfekte Voraussetzungen für unsere In-Prozess-Präzisionsmessungen. Die Kombination aus flexibler Robotik und intelligenter Korrekturtechnologie könnte die Art und Weise, wie Umformprozesse automatisiert werden, grundlegend verändern.
Was bedeutet das für die Industrie?
- Höhere Präzision: Standard-Roboter werden für Umformprozesse mit engeren Toleranzen nutzbar.
- Kosteneffizienz: Der teure Einsatz spezialisierter Maschinen kann durch günstige Roboter ersetzt werden.
- Neue Anwendungsmöglichkeiten: Industrieroboter können jetzt auch für anspruchsvolle Fertigungsaufgaben eingesetzt werden.
Das Fazit? Industrieroboter sind bereit für die nächste Evolutionsstufe! Durch präzise Echtzeit-Korrekturen eröffnet μRoboForm völlig neue Einsatzbereiche für roboter- und CNC-gestützte Fertigungstechnik und darüber hinaus.Was denken Sie? Sehen Sie Potenzial für den Einsatz von Industrierobotern in hochpräzisen Fertigungsprozessen oder Intralogistik- & Handling-Aufgaben?
Unser Kollege Alexander Pierer freut sich darauf, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen:
Dipl.-Ing. Alexander Pierer
Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU
Gruppenleiter Messtechnik und Condition Monitoring
Reichenhainer Straße 88
09126 Chemnitz
Telefon +49 371 5397-1203
alexander.pierer@iwu.fraunhofer.de



Gefördert durch: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf Grund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages (Förderkennzeichen: DS200228). Das IGF-Projekt Nr. 22860 BG der Forschungsvereinigung Mess-, Regel- und Systemtechnik e.V. (DFMRS) wird im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
