Kognitive Produktion

Wie kann Robotik das Handwerk für Fachkräfte (wieder) attraktiver machen? Was macht Roboter attraktiv für das Handwerk?

Wenn Sie an Aufgabenbereiche für Roboter denken, denken Sie bestimmt zuerst an wiederkehrende, meist monotone Aufgaben. Genau diese Aufgaben machen Berufe, wie beispielsweise die im Handwerk, oft unattraktiv für Mitarbeitende.
Inwieweit Roboter im Handwerk Aufgaben übernehmen können und welche Herausforderungen dabei auftreten, hat das Heinz-Piest-Institut in Kooperation mit dem Fraunhofer IWU in einem Technologie-Steckbrief zusammengefasst. Lesen Sie in diesem Beitrag zu den wichtigsten Erkenntnissen.

Was assoziieren Sie mit Aufgaben, für die Roboter prädestiniert sind?

Potentielle Anwendungsbereiche von Robotern sind Aufgaben wie das standardisierte und automatisierte Heben, Transportieren oder Verpacken. Wenn Sie dann weiterhin aus einem produktionstechnischen Kontext, vielleicht sogar mit Werkzeugmaschinen kommen, sind Anwendungen von Robotern beim Zerspanen, inkrementellen Umformen oder Schleifen vermutlich Ihr nächster Gedanke. Gegebenenfalls denken Sie auch an das Beladen der Werkzeugmaschinen. Wahrscheinlich sind alle Roboteraufgaben, die Sie gerade im Sinn haben, wiederkehrend. Weiterhin sind sie wahrscheinlich sogar monoton für den ausführenden Mitarbeitenden, sofern sie manuell erledigt werden müssen.

Zunächst die gute Nachricht – mit diesen Ideen sind sie nicht allein. In einer Expertinnenbefragung des Heinz-Piest-Instituts wurden eben jene Anwendungsgebiete von den Teilnehmenden auf die Frage nach bekannten Einsatzgebieten von Robotern genannt. Nun die zweite gute Nachricht: aufgrund ihrer vielen Vorteile ist der Einsatz von Robotern inzwischen nicht mehr nur in den eben genannten Bereichen sinnvoll. Vielmehr spielen Herausforderungen wie der Fachkräftemangel, die Unattraktivität monotoner und körperlich anstrengender Jobs, sowie die Sicherstellung gleichbleibender Qualität auch für andere Gewerke, wie beispielsweise das Handwerk eine stärker werdende Rolle.

Robotik Steckbrief Heinz-Piest-Institut für Handwerkstechnik zeigt Möglichkeiten des Einsatzes von Robotern im Handwerk auf

In Kooperation mit der der Abteilung für Innovation und Technologietransfer am Heinz-Piest-Institut (HPI) für Handwerkstechnik der Leibniz Universität Hannover hat das Fraunhofer IWU bereits 2021 einen Technologie-Steckbrief erstellt. In diesem sollten zusätzliche Erfahrung und Expertise aus der Forschung in die Betrachtung der für die handwerkliche Leistungserbringung relevanten Innovationen im Bereich Robotik eingebracht werden. Ganz konkret war das Ziel bestimmte Anwendungsgebiete, Hemmnisse und Potentiale bei der Anwendung von Robotertechnologien offen zu legen.

Im Vergleich zu industriellen Massenprodukten stellen handwerkliche Tätigkeiten andere Herausforderungen an Roboter. So sollen diese schneller einsatzbereit sein, vielfältigere Materialien verarbeiten und auch komplexere, schwerer zu automatisierende Prozesse beherrschen. Die durch die Befragung ermittelten hauptsächlichen vier Unterstützungsarten für einen schnellen Robotereinsatz sind in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1: Unterstützungarten für schnellen Robotereinsatz, Quelle: Technologie-Steckbrief

Potentiale für gewerblichen Einsatz von Robotern

Legt man den Blick auf die Mitarbeitenden, stößt man auf das Problem des Fachkräftemangels. Dieser bezieht sich auf verschiedene Bereiche und ist bereits vielfach diskutiert und in seiner Relevanz unterstrichen wurden. Zu den betroffenen Bereichen zählt bekanntermaßen auch das Handwerk. Was laut Heinz-Piest-Institut das Handwerk unattraktiv erscheinen lässt, sind die größtenteils mit ihm verbundenen gefährlichen, schweren oder besonders belastenden Tätigkeiten. Das gilt sowohl für bereits ausgebildete Fach- als auch Nachwuchskräfte.

Roboter sollen und können in dieser Herausforderung unterstützen, indem sie beispielsweise eben jene unattraktive Aufgabenkomponenten übernehmen. Dabei kann der entscheidende Vorteil sein, dass monotone und schwere Arbeitsvorgänge bei stabiler Qualität, präzise, in hoher Geschwindigkeit und dauerhaft (bspw. auch in der Nachtschicht) ausgeführt werden. So werden die Mitarbeitenden nicht nur körperlich, sondern auch zeitlich entlastet. Die freigewordene Zeit ist dann nutzbar für feinfühlige Aufgaben, welche ein Roboter aufgrund der fehlenden kognitiven Fähigkeiten nicht ausführen kann. So steigt sogar noch die Qualität der Arbeit für die Mitarbeitenden, da sie sich so wiederkehrend positiv herausgefordert fühlen.

Herausforderungen und mögliche Lösungen für Nutzung von Robotern

Auch wenn die Vorteile nahezu nach einer Nutzung von Robotern im Handwerk verlangen, sind die individuellen Rahmenbedingungen des jeweiligen Unternehmens zu beachten. Als mögliche Hemmnisse werden im Steckbrief die Investitionskosten bzw. Deckung laufender Kosten und das Fehlen von Wissen und Programmkenntnissen genannt. Auch die Akzeptanz der mit der Anpassung der vorhandenen Prozesse und der Technologie werden angeführt.

Diese Herausforderungen sind auch den Kolleginnen und Kollegen aus der Forschung bekannt. So ist es möglich, dass in Kooperation mit dem Fraunhofer IWU etwaige Lösungen und entstehende Kosten auf Basis eines digitalen Zwillings mit Methoden der virtuellen Inbetriebnahme bereits in der Planungsphase abgeschätzt werden. In dieser Abschätzung kann eine mögliche Roboterzelle digital aufgebaut, die Machbarkeit bis hin zur Anbindung einer realen Robotersteuerung getestet und komplette Roboterprogramme entwickelt werden. Im Rahmen dieser Machbarkeitsuntersuchung wird außerdem aufgedeckt, wie welche Prozesse im Unternehmen angepasst werden können. Einen entsprechenden Erfahrungsbericht unserer Kollegen lesen Sie hier.

Die im Steckbrief aufgedeckten Hemmnisse der fehlenden Programmierkenntnisse und Akzeptanz der Technologie sind ebenfalls Bestandteil der täglichen Arbeit mehrerer Forschungsinstitute. So arbeiten beispielsweise das Fraunhofer IPA, IWU, IFF und IAIS an der Vereinfachung der Teach- und Programmiervorgänge. Die ersten industriell verfügbaren Lösungen sind mithilfe der Schlagworte Drag&Drop-Programmierung, skillbasierte oder fähigkeitsbasierte Steuerungen zu finden.

Zusammenfassung Inhalte Technologie-Steckbrief

Aktuell ist die überwiegende Zahl von Robotern in hochautomatisierten Produktionslinien zu finden. Wissend um die angesprochenen Herausforderungen liegt der Fokus jedoch zunehmend auf der Entwicklung einer nahtlosen Kollaboration von Robotern und Menschen. Dazu gehören beispielsweise auch die Aufteilung der teilweise komplexen Arbeitsschritte in kleine, handhabbare Prozesse und damit die Umsetzung kleinerer Losgrößen. Mit Hilfe dieses Wissens kann zukünftig die Nutzung von Robotern im Handwerk motiviert werden. Laut Steckbrief sind jedoch die Herausforderungen, vor allem jedoch hohen Investitions- und Fixkosten der maßgebliche Hemmnisgrund. Wir vom Fraunhofer IWU bauen aktuell Use Cases auf, an denen auch interessierte Handwerksbetriebe erleben können, wie ein Robotereinsatz für “ihre“ Prozesse aussehen kann. Kommen Sie gerne mit uns dazu ins Gespräch!

Für Rückfragen zu diesem Thema steht Ihnen Herr Arvid Hellmich gerne via LinkedIn oder Mail: arvid.hellmich@iwu.fraunhofer.de zur Verfügung. Den kompletten Steckbrief finden Sie hier auf der Seite des Heinz-Piest-Instituts.


Headerbild: © Fraunhofer IWU

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Lisa Martha Kunkel

Lisa Martha Kunkel
Blog-Redaktion/Assistentin Wissenschaftskommunikation

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Dr.-Ing. Arvid Hellmich

Dr.-Ing. Arvid Hellmich
Abteilungsleiter
"IIOT-Steuerungen und Technische Kybernetik"

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Telefon: +49 351 4772-2610
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